Doch vor allem hat die Faschingszeit, so wie wir sie heute kennen, ihren Ursprung im Mittelalter, wo das Fest ein letztes ausgelassenes Aufbäumen vor der entbehrungsreichen Fastenzeit, die bis Ostern anhält, darstellt. Schon durch die regional unterschiedlichen Bezeichnungen Karneval (= carne vale „Fleisch lebe wohl"!) Fas(t)nacht (= der Vorabend der Fastenzeit) enthüllt sich die Absicht, die tollen Tagen als letzte große Ausschweifung vor den Vorbereitungen auf die Askese der Passionszeit zu sehen.
Die heute uns bekannte Fastnacht geht etwa auf das 13. Jahrhundert zurück und wird auf die Lehren des Augustinus von Hippo (354-430 n. Chr.) in seinem Werk De civitate Dei (Der Gottesstaat) zurückgeführt. Eine hervorragend illuminierte Handschrift dieses Textes in französischer Sprache befindet sich in Macon, in der Bibl. Municipale, Ms. 1.
Der Text war sehr beliebt im Mittelalter und wurde deshalb häufig während der Frühdruckzeit aufgelegt. Ein besonders schönes Exemplar eines venezianischen Drucks von 1470 befindet sich in unserem Antiquariat.
Aurelius Augustinus, De civitate dei. Venedig Joh. & V. de Spira, 1470. Dritte oder vierte Ausgabe von Augustinus' wichtigster Schrift und die erste in Venedig gedruckte. (Dr. J. Günther Rare Books)
Die Fastnacht steht demnach für die civitas diaboli, den Staat des Teufels. An ihren Ausschweifungen können wir erkennen, was passierte, würde der Teufel die Oberhand gewinnen und die Welt regieren.
Der Antichrist und die fünfzehn Zeichen vor dem Jüngsten Gericht, Blockbuch mit handschriftlichem Text in Deutsch, [Franken, Nürnberg?, um 1450 (Druck nicht nach 1467)], Erstausgabe (Dr. J. Günther), verkauft
Die Welt des Mittelalters, so erkennt man an diesem Beispiel, war sehr bestimmt von Polarisierung. Das Helle, Gute, Beispielhafte tritt klarer hervor, wenn man es vor der Folie des Dunklen, Bösen und Abstossenden darstellt. So sind auch die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bücher unseres Antiquariats voll von Anspielungen auf diesen Widerspruch zwischen dem Vollkommenen und dem Deformierten, zwischen Gottesfurcht und Sünde, Religiösität und Schabernack. Meist waren die Ränder der Buchseiten die rechtsfreien Räume, in denen man seiner Phantasie freien Lauf lassen konnte und so finden sich groteske, furchteinflössende, aber auch amüsante Gestalten und Szenen besonders in den Bordüren.
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Hybrider Musikant, Hachette Stundenbuch, ehemals Dr. J. Günther, heute in Privatslg.
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An diese Mischwesen zwischen Mensch und Tier oder Pflanze, die uns mit ihren absurden Physiognomien das Lachen und das Fürchten lehren, fühlen wir uns erinnert, wenn wir zu Fasnacht durch die Strassen gehen und uns diesen Ausgeburten einer Parallelwelt Aug in Aug gegenüberfinden.
Doch sehen Sie selbst:
"Ich bin nicht sicher, ob ich mit diesem Jockey so glücklich bin" |
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"Ich auch nicht" |
"Das Leben kann manchmal so öde sein." |
"Ernsthaft? Du willst ein Wettrennen?" |
Ein seltsamer Nachtwächter, nicht gerade bester Laune. |
"Guck mal, was ich kann!" | |
Huch! Vielleicht ein zu tiefer Einblick! |
Kein Kommentar zu diesem Affenzirkus! |
"Ich habe es SO satt!" |
Comments
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